Wer heute mit dem Hamburger Verkehrsverbund (hvv) fährt, hat meist ein Smartphone dabei und nutzt die hvv App. Ob Verbindungssuche oder Abfahrtszeiten, die App bietet die gewünschten Informationen innerhalb von Sekunden. Früher nutzte man zur Fahrplanauskunft noch das gedruckte hvv Fahrplanbuch. Diese Ära geht nun zu Ende, denn das Fahrplanbuch in Papierform erscheint zum Fahrplanwechsel 2021/22 jetzt zum letzten mal. Hier im VHH-Blog nehmen wir euch mit auf einen Streifzug durch die Geschichte des Fahrplanbuchs…
Die ersten Fahrpläne
Fahrplantabellen gibt es, seit es öffentliche Verkehrsmittel gibt. Schon mit Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnstrecken sowie im Stadtverkehr bei Pferdebus- und Pferdebahnlinien gab es sie. Reichte anfangs noch eine Veröffentlichung in der Tageszeitung, um eine Linie abzubilden, machten die schnell wachsenden Verkehrsnetze die Herausgabe eigener Medien erforderlich. Bei der Eisenbahn war es das Kursbuch. Im städtischen Nahverkehr brachten die Verkehrsunternehmen eigene Fahrplanhefte heraus oder aber fanden Druckereien, die diese Fahrpäne, meist werbefinanziert, veröffentlichten.
Auch die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn AG (BGE), als Vorläufer der heutigen VHH, veröffentlichte ihre Fahrpläne in solchen Heften. Eines der ältesten erhaltenen Exemplare im VHH-Archiv ist eine Ausgabe vom Sommer 1929. Gedruckt von der Bergedorfer Buchdruckerei Ed. Wagner, sind auf 50 Seiten neben damaligen Bahnlinien der Reichsbahn und der BGE auch deren ab 1926 nach und nach eingerichteten Buslinien abgebildet.
Eine Fahrplantabelle im Laufe der Geschichte
Um aufzuzeigen, wie sich die Fahrplantabellen über die Jahrzehnte verändert haben und um eine gewisse Vergleichbarkeit hinzubekommen, haben wir uns eine Buslinie ausgesucht, die sich über die Jahrzehnte nur wenig verändert hat: Die damalige BGE-Buslinie von Bergedorf nach Kirchwerder, Howe, damals noch „Hove“ geschrieben. Sie existiert noch heute unter der hvv Liniennummer 223.
Im Fahrplanbuch vom Sommer 1929 ist die Linie in dem DIN-A6-Heft als Linie 3 eingeordnet. Ähnlich wie bei der Eisenbahn, sind die Entfernungen in Kilometern eingetragen. Alle Fahrten sind durchnummeriert. Mit „W“ markierte Fahrten werden nur an Werktagen geleistet. Das war damals Montag bis Sonnabend. Die mit „S“ markierten Fahrten fahren nur an Sonn- und Feiertagen. Die Fahrten ohne Markierungen gibt es täglich. Fahrten die nur sonnabends stattfinden, haben die Abkürzung „Sbd“, was aber bei unserem Beispiel der Linie 3 keine Rolle spielt.
In der Fahrplantabelle werden nur die wichtigsten Haltestellen aufgelistet. Die meisten Bushaltestellen lagen damals an Gaststätten, nach denen sie in der Regel auch benannt wurden. Schon damals waren die Vier- und Marschlande ein begehrtes Ausflugsziel, was man gut an den sonntäglichen Spätfahrten erkennen kann.
Über Jahrzehnte veränderte sich die Darstellung der Fahrplantabellen nicht wesentlich:
Die ersten Fahrplanhefte der VHH
Ab 1954 firmierte die BGE durch Fusion mit den Verkehrsbetrieben des Kreises Stormarn zur Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG (VHH). Während die Eisenbahnlinien stillgelegt wurden und aus den Fahrplanheften verschwanden, übernahmen Buslinien deren Funktion. Zugleich wuchs der Umfang des Fahrplans auf 80 Seiten, weil nun beide Betriebe in einem Heft zusammengefasst wurden.
Schauen wir in das Fahrplanheft von 1964: Die Linie 3 heißt jetzt 10 und fährt mit einigen Fahrten weiter bis zum Hauptbahnhof/ZOB, wobei sie mit der Linie 13 kombiniert ist. Noch immer werden nur die wichtigsten Haltestellen aufgelistet. Weitere Bushalte werden gesondert unter der Tabelle genannt, bzw. werden weiter hinten im Heft bei der Linie 13 separat abgebildet.
Auch bei den Haltestellennamen hat sich etwas verändert. Während sie anfangs noch überwiegend nach Gastwirtschaften benannt waren, sieht es 1964 bereits anders aus. Die Haltestellen sind in der Regel nach einmündenden Straßen benannt. Wo das nicht geht, nimmt man die vom Bus befahrene Straße mit zusätzlicher Nennung der Hausnummern. Insbesondere auf den kilometerlangen Deichen ist das eine hilfreiche Orientierung. So misst z.B. auf der Linie 10 der Kirchwerder Landweg immerhin über 6 Kilometer Länge. Noch immer finden sich im Fahrplanheft die Kilometerangaben und Fahrtnummern wie bei der Eisenbahn. Nur wenige Jahre später sollte sich die Darstellung grundsätzlich ändern.
Die ersten Fahrplanhefte des hvv
Mit der Gründung des Hamburger Verkehrsverbunds (hvv) 1965 brachten neben der VHH die Deutsche Bundesbahn (DB), Hamburger Hochbahn AG (HHA), AKN, ANB, EBO ihre Bus- und Bahnlinien mit ein. Unter diesen Umständen musste die Darstellung der Fahrpläne aller Verkehrsunternehmen weitestgehend angeglichen werden, damit die Fahrgäste nicht den Überblick verlieren.
Das erste Fahrplanbuch des hvv zum Winterfahrplan 1966/67 kam als richtiges Buch heraus. Auf 390 Seiten waren alle Verkehrsmittel im hvv abgebildet. U-, S- und Vorort-Bahnen waren auf gelbem Papier abgebildet. Auf rosa Papier folgten die Schnell- und Kleinbuslinien, die Alsterschifffahrt und die HADAG-Hafenfähren. Auf grünem Papier war das damals noch recht umfangreiche Netz der Straßenbahnlinien gedruckt und auf dem weißen Papier waren die Stadt- und Regionalbuslinien von HHA, VHH und DB abgebildet.
Besonderheiten zum Start des Verkehrsverbundes
Im ersten Fahrplanbuch des hvv waren die Buslinien noch in Regionalbereiche aufgeteilt: Nord, Süd, West und Ost. Die Liniennummern waren anfangs noch nicht harmonisiert. Unsere Linie 10 steht im hvv Fahrplanbuch jetzt als „10/13“ im Fahrplanbuch. Die Kilometerangaben sind weggefallen. Auch die Fahrtnummern spielen keine Rolle mehr.
Dafür sind die Tarifangaben des neuen hvv Tarifs hinzugekommen: Die Tarifzonen, die für die Zeitkarteninhaber wichtig sind, sowie die Zahlgrenzen, die für die Barzahler eine Rolle spielen. Auf dem Abschnitt Bergedorf – Howe werden jetzt alle Haltestellen abgebildet. Auf den Fahrten bis zum Hauptbahnhof wird auf die Linie 13 verwiesen, bei der die Zwischenhaltestellen bis zum ZOB abgebildet werden.
Veränderungen im hvv
Mit der Zusammenfassung aller Buslinien im hvv wurden die Liniennummern der Buslinien neu geordnet. Alle normaltariflichen Buslinien wurden 1968 dreistellig durchnummeriert. Dabei steht die zweite Ziffer der Liniennummer für den Bereich im hvv, in dem die Linie fährt. Die 40er Linien fahren z.B. in Harburg, die 60er in Wandsbek und die 80er im Hamburger Westen. Die 20er und 30er Linien sind in Hamburgs Osten unterwegs.
Bei unserer Beispiel-Linie Bergedorf – Howe änderte sich die Liniennummer damit auch. Aus der Linie 10 wurde die Buslinie 223. Die Fahrten bis zum Hauptbahnhof führten nun die Nummer 123. Doch auch diese Liniennummer verschwand in den 1980er Jahren, weil ihre Fahrten im Angebot der Linie 124 aufgingen.
Der Wandel des Fahrplanbuchs
Über die Jahrzehnte veränderte sich das Fahrplanangebot unserer Linie 223 nur unwesentlich. Montags bis freitags fuhr der Bus seit 1973 stündlich, sonnabends bis in den frühen Nachmittag. Sonntags fuhr kein Bus, dann konnte man stattdessen auf die Linie 124 ausweichen und nach Bergedorf fahren.
Das galt auch für die Darstellung im Fahrplanbuch. Mit Umstellung des Fahrplanbuchdrucks von Bleisatz auf ein erstes EDV-gestützten Verfahren, entfielen ab 1982 bei den Fahrplantabellen die Tarifhinweise. Dafür war bei Bedarf ein gesondertes Tarifheft erhältlich. Seit 1994 ist es möglich auf bestimmten Buslinien (sofern Platz vorhanden) ein Fahrrad mitzunehmen. Das wird über ein Symbol entsprechend im Fahrplan gekennzeichnet.
Ein Beispiel aus den 1990er Jahren
Im Jahr 1996 hatte das Fahrplanbuch inzwischen 834 Seiten. Der Fahrplan stellte sich wie folgt dar: Die Fahrtzeiten der Tabelle sind, wo es möglich ist, vertaktet dargestellt. Weil sonntags auf dieser Linie nicht gefahren wird, ist die Tagesart im Plan nicht abgebildet. Die Werbeanzeige am Fuß des Fahrplans weist auf das Anruf-Sammel-Taxi hin. Das ist ein spezielles hvv Serviceangebot in den Vier- und Marschlanden, welches nachts die Verbindung zwischen Bergedorf und dem Landgebiet ermöglicht.
Außen war jetzt Rot die beherrschende Farbe und die Verkehrsmittel bekamen neue Produktfarben, so auch unser „223er“. Die Liniennummer ist jetzt in einer roten Raute abgebildet. Diese findet sich so übrigens auch an der Haltestelle auf dem Schild und dem Fahrplan wieder. Ein einheitliches Bild also. Das Fahrradsymbol ist jetzt nach unten gerutscht und um ein weiteres Symbol ergänzt: den Rollstuhl. Der zeigt an, dass auf dieser Linie barrierearme Niederflurbusse mit Einstiegshilfe eingesetzt werden.
Mit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2004 endete übrigens auch eine Ära: Die Zeit des Sommer- und des Winterfahrplans war vorbei. Über Jahrzehnte gab es zwei Fahrplanwechsel im Jahr, die in der Regel Ende Mai bzw. Ende September erfolgten. Seitdem gibt es passend zum Fahrplanwechsel bei den europäischen Eisenbahnen nur noch einen Fahrplanwechsel für einen Jahresfahrplan und der liegt im Dezember.
Auf dem Weg in die (digitale) Zukunft
Das hvv Fahrplanbuch war über Jahrzehnte eine wichtige Informationsquelle. Doch wie auch in allen anderen Lebensbereichen, bieten Internet und Smartphones inzwischen passendere und aktuellere Alternativen für das gedruckte Werk, welches manchmal schon aufgrund seines langen Produktionsvorlaufs beim Erscheinen veraltet war. Kurzfristige Änderungen konnten nach Drucklegung oftmals nicht mehr berücksichtigt werden. Und so scheint es nur folgerichtig, dass die Ausgabe 2022 auch die letzte gedruckte Ausgabe des hvv Fahrplanbuchs ist.
Zum Abschied hat sich das Fahrplanbuch noch mal richtig hübsch gemacht und verabschiedet sich im neuen hvv Design. Die letzte Ausgabe „Hamburg AB“ umfasst 1.472 Seiten. Zum Vergleich: die erste hvv Ausgabe kam noch mit 388 Seiten aus.
Wer in einer hvv Servicestelle oder im Zeitschriftenregal noch ein hvv Fahrplanbuch 2022 entdeckt, kann ruhig zugreifen. Vielleicht wird das Buch ja mal ein begehrtes Sammlerstück. Und man kann dann den Enkelkindern zeigen, wie man seine Mobilität per Bus und Bahn in früheren Zeiten organisiert hat…